Es ist Mitte August und wir gehen auf Kurs Heimat. Das Wetter ist "gemischt" mit viel Wind aus der falschen Richtung.So entschließen wir uns im geschützten Achterwasser zu bleiben und keinen Bogen über Polen und Dänemark zu machen.
Es gibt hier auch noch so viel zu sehen ...
Da ist zum Beispiel das Historisch-technische-Museum Peenemünde. In seinem 1923 erschienenen Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen“ wies der deutsche Forscher HERMANN OBERTH (1894-1989) nach, dass mit Raketen andere Planeten erreicht werden können. Von vielen Zeitgenossen wurden diese Vorstellungen belächelt und als Utopie abgetan. Dennoch nahm die Forschungen langsam Fahrt auf. Der Höhepunkt wurde 1943 in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde erreicht. Ein Name in diesem Kontext ist WERNHER VON BRAUN. Er erhielt für seine geheime Dissertation „Konstruktive, theoretische und experimentelle Beiträge zu dem Problem der Flüssigkeitsrakete“ von der Berliner Universität bereits 1934 den Doktortitel. Die Entwicklung geht also viele Jahre zurück. Es ist reine Propaganda, dass die "Vergeltungswaffe V2" erst als Reaktion auf englische Luftangriffe entwickelte wurde. Im übrigen war die V2 völlig ungeeignet irgendwelche strategischen Ziele zu treffen, selbst auf die kurze Strecke von den Haag - wo sie von mobilen Startrampen abgeschossen wurde- bis London. Die 1000 Raketen sollten vielmehr Panik und Verderben in die Zivilbevölkerung bringen. Tausende Menschen kamen so zu Tode.
Auch über Zwangsarbeit in Peenemünde wird an Hand von Lebensläufen aufgeklärt. Nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg setzten die deutschen Wissenschaftler in der Sowjetunion, in Frankreich in England und vor allen in den USA ihre Forschungen nahtlos fort. Statt naiver Technikbegeisterung wird ein sehr differenzietes Bild dieser historischen Stätte gezeichnet.
Von den Gebäuden ist noch das 1943 erbaute Kraftwerk Peenemünde erhalten, das damals 2/3 seines Stroms für die Herstellung von Wasserstoff lieferte, mit dem die Raketen angetrieben wurden. Die übrige Leistung versorgte die weitläufige Anlage für tausende von Angestellten und Arbeitern. Bis 1990 war das Kraftwerk in Betrieb und wurde zuletzt statt mit hochwertiger Steinkohle mit Braunkohle befeuert. Die Rauchfahne soll weithin zu sehen gewesen sein. Der Weiterbetrieb war notwendig, da es im Kernkraftwerk Lubmin immer wieder zu Störungen kam. Seit 30 Jahren liegt auch das Kernkraftwerk still und der Rückbau wird noch Jahrzehnte dauern. Die Anlage in Peenemünde ist riesig und in einem Teil genau so rostig und heruntergewirtschaftet belassen, wie zum Zeitpunkt der Stilllegung. Der andere Teil beherbergt die Ausstellung mit gläsernem Aufzug auf das Aussichtsdach.
Über Neuhof, Stralsund, Barhöft und Kühlungsborn erreichen wir wieder Poel. Unterwegs fischen wir, fast schon traditionell, einen Wasserball. Es kann nicht immer ein Einhorn sein. Unglaublich, wie schnell so ein Ball bei Wind förmlich über das Wasser rollt. Bei den ersten drei Versuchen lassen wir den Ball in Luv. Aber statt uns entgegen zu treiben, wird er von der Bugwelle und gegen den Wind immer wieder, von TROLL aus unerreichbar, weg getrieben. Schließlich passieren wir ganz knapp in Luv und der Ball ist verschwunden. Dann sehen wir ihn: Er klebt im Vorschiffsbereich förmlich an der Bordwand. Offenbar erzeugen Segel und Bordwand hier einen Unterdruck. Klar! Das ist es ja auch , womit wir am Wind segeln können oder wodurch Otto Lilienthal fliegen konnte!
In Kirchdorf auf Poel bekommen wir Besuch von Rosmarie und Jürgen und verbringen einen ausnehmend sonnigen Tag an Bord. Abends tritt auf dem Kai ein begnadeter Alleinunterhalter mit Gitarre auf. Die Karaoke-Backgroundband kommt aus dem Computer. Der Mann ist witzig, vielseitig und reißt das zahlreiche Publikum mit. Die Menschen toben, tanzen und singen mit: "Aloa He". Vom Original kaum zu unterscheiden seine sonore Stimme: Hab' die ganze Welt gesehen: Von Singapur bis Aberdeen: Wenn du mich fragst, wo es am schönsten war, Sag ich: Sansibar!
Die Wismarbucht ist durch vorgelagerte Sände gut geschützt. Das Wetter ist wieder "normal", bedeckt mit 5 Bft Wind aus West. Mit einem Reff segeln wir durch das Offentief auf die Mecklemburger Bucht Kurs Fehmarn. Die Wellen sind moderat, denn wir haben etwas Landdeckung. Aber der halbe Wind wird mehr und mehr. Wir legen das zweite Reff ein. Dann kommt zusätzlich noch eine schwarze Wolke. Wir nehmen das Großsegel ganz weg und reffen die Fock so weit, dass nur noch ein "Handtuch" übrig bleibt. Der Wind frischt kurzzeitig auf reichlich 7 Bft auf. Wir rauschen mit erheblicher Lage und 6 kn nach Burgstaken auf Fehmarn.
"Guck mal, da hat sich eine Schwimmweste aufgeblasen" vermeldet Barbara. Was sollte diese auch machen, liegt sie doch im Fach unter den Vorschiffskojen im Wasser. Der Abfluss des Ankerkastens ist verstopft und das Wasser hat bei der harten Segelei gestern seinen Weg in die Segellast gefunden. Wir machen erst einmal einen Hafentag, reparieren den Abfluss und die Heizung , damit wir die nassen Klamotten trocknen können. Draußen regnet es. An folgenden Tag ist schönstes Segelwetter und wir passieren die Fehmarnsundbrücke auf dem Weg nach Heiligenhafen. Wir matchen mit der Bavaria 45 einer Segelschule und können diese einholen. Vermutlich haben sie gar nicht gemerkt, wie wir dafür getrickst haben. Einmal Regattasegler, immer Regattasegler.
Vor uns liegt nun die Kieler Bucht. Querab Wendtorf beobachten wir, wie ein Segler in den Wellen mit seiner verklemmten Großsegel-Reffanlage kämpft. Als wir eine Stunde später nach Möltenort einlaufen, sehen wir auf dem AIS, dass er immer noch kämpft. So etwas möchte man nicht erleben.
Am Steg werden wir bereits von Martin und Brigitte erwartet: "Wir haben euch bei Marine Traffic verfolgt". Unser neues Easy-TRX AIS scheint zu funktionieren!
In Heikendorf gibt es das Künstlermuseum. Das alte Atelierhaus wurde 1865 erbaut und war das erste Backsteingebäude im Ort. 1923 zogen hier der Kunstmaler Heinrich Blunck mit seiner Frau Käte ein. Sie lebten und arbeiteten hier 68 Jahre und sammelten einen Kreis anderer Künstler um sich. Es lohnt einen Besuch.
Die Schleuse Holtenau führt in den Nord-Ostseekanal. Die Yachten verlieren sich in der riesigen Kammer, wo sonst die dicken Pötte liegen. Bis zu 235 m lang, 32,5m breit, 9,5 m tief und 40 m hoch können sie den Kanal passieren und sparen Zeit für den Umweg um Skagen. Über 20.000 Frachter und Kreuzfahrtschiffe legen jedes Jahr die 98 km zwischen Holtenau und Brunsbüttel zurück. In Brunsbüttel liegt man unmittelbar neben der Schleusenzufahrt und hört auch nachts das sonore Brummen der Schiffsmaschinen.
Elbe oder Weser, das ist die Alternative für den Rückweg. Wir wollen nochmal auf die Nordsee und segeln deshalb Elbe abwärts nach Cuxhafen. Das Timing am folgenden Donnerstag ist ideal: Mit ablaufendem Wasser aus der Elbe- und mit auflaufendem Wasser in die Weser-Mündung. Nur lässt uns der Wind im Stich. Die Nordsee liegt glatt wie ein Ententeich. So müssen wir 10 Stunden motoren. "Watt'n Sch...". Gut dass wir in Cuxhafen getankt haben.
Der Mast ist gelegt und verpackt. Nach getaner Arbeit besuchen wir das Dreimast-Vollschiff SCHULSCHIFF DEUTSCHLAND, das seit Kurzem in Bremerhaven liegt. An Bord haben Generationen von Bootsleuten alles betakelt was sich nicht gewehrt hat. Wunderschöne Kunstwerke aus Tauwerk. Vielleicht kan man für Interessierte einmal einen Knotenabend zu diesem Thema machen.
Vorbei an Vegesack, dem früheren Liegeplatz der SCHULSCHIFF DEUTSCHLAND, durch die Brücken in Bremen und die Seeschleuse erreichen wir schließlich den Altarm der Weser bei Doverden, wo für heute Nacht der Anker fällt. Am nächsten Morgen umfängt uns herbstlicher Nebel. Die Schleuse Doverden zeigt zwei rote Lichter übereinander: Dauerhaft gesperrt. Der Baukran lässt Schlimmes befürchten. Wir versuchen über UKW und Telefon Kontakt zur Schleuse aufzunehmen. Niemand meldet sich. Endlich erhalten wir bei der Revierzentrale die Auskunft, dass die Schleuse bis Oktober in Reparatur ist. Und selbst wenn, könnten wir nicht bis zum Mittelland-Kanal weiter fahren, denn eine weitere Schleuse auf dieser Strecke ist noch länger gesperrt. Man hätte sich ja bei ELWIS informieren können. Hätte, hätte Ankerkette...
Wir drehen um: Seeschleuse, Bremen, Vegesack und dann nach Backbord in die gewundene, schmale Hunte bis Oldenburg. Nordwestlich der Hunte liegt der Ort Köterende!
Oldenburg ist Universitätsstadt. So erklären sich auch die vielen jungen Menschen, oder liegt es daran dass wir älter werden? Egal. Auch die vielen kleinen Läden mit oft originellem Angebot gefallen uns sehr.
Und dann gibt es noch etwas: Vergleichsweise wenig Autoverkehr, aber eine Straße, die Stau heißt. Das ist Planung für die Zukunft.
In Oldenburg gibt es das Schloss, die ehemalige Residenz der Grafen und Großherzöge. Leider ist Montag und das Museum geschlossen. Im Gegenlicht läst es sich auch nicht fotografieren! Da kommt uns die Bildwand in Supermarkt wie gerufen.
Schnurgerade führt der Küstenkanal von Oldenburg nach Dörpen, wo wir den Dortmund-Ems-Kanal ereichen. So kommen wir mit einigen Tagen Verspätung endlich über den den Rhein-Herne-Kanal nach Duisburg.
Im Innenhafen bereiten wir wieder alles zum Stellen des Mastes vor und putzen TROLL. Klarer Fall von Putzfimmel. So ein neuer Lack macht pingelig. Leider nehmen die gefiederten Freunde auch hier keine Rücksicht! Volltreffer.
Nach 4 Wochen Törn erreichen wir am 12. September 2021 wieder unseren Heimathafen Volmerswerth.